Nationalismus in Hellas – Aufmarsch auch in Frankfurt

Am 21.01.2018 griffen Faschos den Squat „Libertatia“ in Thessaloniki an und brannten ihn schlus­sendlich unter den Augen der Riotcopeinheit MAT komplett nieder. Die Faschos agierten im Umfeld einer nationalistischen Großdemonstration, zu der sich an der Hafenpromenade von Thessaloniki zwischen 50 000 und 90 000 NationalistInnen versammelt hatten. Schon in den Tagen zuvor hatten Anarchist*innen und Antifaschist*innen aus Thessaloniki vor der nationalistischen Großdemonstra­tion gewarnt und zu Gegenaktionen mobilisiert.

Anlass für den nationalistischen Aufmarsch ist ein seit Jahrzehnten schwelender Namensstreit mit dem nördlichen Nachbarland, welches offiziell unter dem sperrigen Titel The Former Yugoslav Re­public of Macedonia (F.Y.R.O.M), (Ehemalige Jugoslawische Republik Mazedonien) geführt wird. Im Zuge des Zusammenbruchs Jugoslawiens Anfang der 1990er Jahre und der sich damals abzeich­nenden Konstitution Mazedoniens als selbstständiger Staat, kam es in Griechenland und in den grie­chischen Exilgemeinden schon einmal zu Großdemonstrationen. Damals versammelten sich bis zu einer Millionen Menschen in Thessaloniki und Athen, um gegen die angestrebte Benennung Maze­doniens als Republik Mazedonien zu demonstrieren.

Die historische Region Makedonia wurde im Zuge des ersten Balkankriegs von 1912 zwischen Griechenland und dem damaligen Serbien aufgeteilt. Montenegro erklärte dem Osmanischen Reich am 8. Oktober 1912 den Krieg, dieses wiederum am 16. Oktober Bulgarien. Am Tag darauf erklär­ten Serbien, Bulgarien und Griechenland gemeinsam dem Osmanischen Reich den Krieg. Im Zuge dieser kriegerischen Auseinandersetzung endete die Jahrhunderte lange Herrschaft des Osmani­schen Reiches auf dem Balkan und Griechenland vergrößerte deutlich sein Territorium in nördlicher Rich­tung. Im Nachgang des Zweiten Weltkriegs wurde innerhalb Jugoslawiens die Teilrepublik Mazedonien gegründet. Noch während des Zusammenbruchs Jugoslawiens wurde Mazedonien im Jahr 1991 unabhängig. Zu dem Zeitpunkt eskalierte der Konflikt um die Staatsbezeichnung. In die­sem Zuge gesteht Griechenland der Nachbarrepublik den Namen Mazedonien nicht zu, da diese vermeintlich territorialen Anspruch auf die griechische Provinz Makedonia erheben würden.

Anfang 2018 wurde bekannt, dass die griechische und mazedonische Regierung erneut Gespräche über die ungelöste Namensfrage anstreben. Die in Griechenland sehr emotional geführte De­batte um die eigene nationale Identität, zu der insbesondere der Mythos einer jahrhundertelangen Unterdrückung und Fremdherrschaft durch das Osmanische Reich gehören, wurde im Zuge dieser Ankündigung von nationalistischen Gruppen zur Mobilisierung nach Thessaloniki genutzt. Unter dem Motto „Makedonia ist Hellas“ sollen laut VeranstalterInnen bis zu 300 Reisebusse aus dem ganzen Land in die nordgriechische Metropole gefahren sein.

Die DemonstrantInnen trugen griechische Nationalfahnen oder die makedonische Fahne mit der Sonne von Vergina, die von Mazedonien als Nationalfahne benutzt und von griechischen Nationalis­tInnen als griechisches Symbol beansprucht wird. An dem Aufmarsch nahmen PolitikerInnen der konservativen Nea Dimokratia (ND), der rechtspopulistischen Unabhängigen Griechen (ANEL), Würdenträger der griechisch-orthodoxen Kirche, darunter der Mitropolit Anthimos, Militärs, orga­nisierte Fußballfans und zahlreiche FaschistInnen teil. Die Reden enthielten aggressive nationalis­tische Botschaften an die Regierung Mazedoniens.

Auf die Demonstration in Thessaloniki folgten weitere Aktionen und Demonstrationen. Am Abend des 03.02.2018 organisierte die faschistische Partei Chrysi Avgi (Goldene Morgenröte) einen Auf­marsch in Athen. Dieser findet seit Jahren statt und zieht TeilnehmerInnen aus ganz Europa an. An­lass für diesen Aufmarsch ist ein Territorialstreit von 1996 um die Imia Inseln zwischen der Türkei und Griechenland. Dort kam es zu einem militärischen Zwischenfall, der beinahe in einem Krieg zwischen den beiden Ländern geendet hätte. Die griechische Rechte ruft deshalb seit 1997 zu diesen Großaufmärschen auf. Da dieser Aufmarsch dieses Jahr verboten wurde, trafen sich die Faschos der Chrisis Avgi vor ihren Athener Parteibüros. Zu diesem Aufmarsch kommen seit einigen Jahren auch Neonazis und FaschistInnen aus ganz Europa zusammen. Aus Deutschland nehmen regelmäßig Neonazis des Dritten Wegs teil.

Am Sonntag den 04.02.2018, nahmen ca. 140 000 Personen an einem weiteren nationalistischen Aufmarsch teil. Die OrganisatorInnen sprechen derweil, ziemlich unrealistisch, von 1,5 Millionen TeilnehmerInnen.

Auch in Deutschland kam es bereits mehrfach zu Aufmärschen unter dem Motto „Makedonia ist Hellas“. Als OrganisatorInnen treten Einzelpersonen aus dem Stuttgarter Raum in Erscheinung die mit selbst gemachten Flyern und einer Facebook-Seiten für die nationalistische Sache trommeln. Als Kristallisationspunkt dient hier das Internetradio „Greek Pulse Radio Stuttgart“, bei dem ver­schiedene AkteurInnen als ModeratorInnen und UnterstützerInnen aktiv sind. Nach Stuttgart wurde bereits im Januar zu einem Aufmarsch mobilisiert, an dem Laut den VeranstalterInnen 1500 Perso­nen zusammen kamen. Die Zahlen dürften jedoch maßlos übertrieben sein und tatsächlich eher bei einigen hundert gelegen haben.

Facebook-Werbung für den Aufmarsch in Frankfurt

Die Stuttgarter Gruppe mobilisierte auch für den 03.02.2018 nach Frankfurt am Main. Dem Aufruf folgten rund 600 Personen, die in einem Meer griechischer Nationalfahnen von der Alten Oper zur griechischen Botschaft nach Bockenheim zogen. Der vordere Block des Aufmarsches trug neben ei­ner riesigen Fahne, verschiedenen Wimpeln der griechisch-orthodoxen Kirche und wurde von ei­nem Trommler angeführt. Die TeilnehmerInnen waren bunt gemischt. Neben jungen Männer aus Fußballzusammenhängen, nahmen Kinder und Rentner an dem Aufmarsch teil und erzeugten so ein heterogenes Bild. Aufgrund fehlender parteipolitischer und gruppenbezogener Symbole und Logos kann eine Einschätzung der TeilnehmerInnen nur vage bleiben. Die heterogene Zusammensetzung legen jedoch die Vermutung nah, dass die TeilnehmerInnen aus verschiedenen Spektren der griechi­schen Exilgemeinde kamen. Dabei dürfte die griechisch-orthodoxe Kirche einen nicht unerhebli­chen Teil zur Mobilisierung beigetragen haben. Diese übernimmt auch in Griechenland selbst eine zentrale Rolle bei den Protesten und thematisiert die anstehenden Aufmärsche u.a. in Gottesdiens­ten.

Auf dem Aufmarsch wurden wiederholt martialische Reden gegen die aktuelle, von Syriza geführte Regierung gehalten und nationalistische Sprechgesänge aus der Fußball- und Hooliganszene geru­fen: „Du wirst niemals Grieche, ‚Skopjaner‘“ ist ein Gesang, der sich an einen chauvinistischen Ge­sang aus den 90er Jahren anlehnt, der AlbanerInnen erniedrigen sollte. Auch wenn die Zusammen­setzung der TeilnehmerInnen unklar bleibt, ist klar das hier eine fehlende Abgrenzung und kritische Auseinandersetzung mit nationalistischen Inhalten und möglichen faschistischen Bündnispartner zu beobachten ist. Den Aufmarsch als reine faschistische oder rechtsradikale Veranstaltung zu be­schreiben, ist an dieser Stelle nicht angebracht. Eine kritische, antinationale Kritik wie sie von anar­chistischen und antifaschistischen Genoss*innen aus Thessaloniki und Athen formuliert wird, ist dennoch hochaktuell.

Eine detaillierte und facettenreiche Analyse der Situation in Griechenland und einen Überlick über die antifaschistische Reaktionen auf die nationalistische Kampagne bietet das re:volt Magazin in ih­rem Artikel: Antifa Athen bleibt stabil.
https://revoltmag.org/articles/antifa-athen-bleibt-stabil/

 

 

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