Wenn der Faschismus an die Volkshochschule kommt… Zum Outing des Casa Pound Aktivisten Valerio Benedetti [Archiv]

Verfasst von: Antifa Recherche Ffm. Verfasst am: 09.06.2017
Quelle: https://archive.fo/sPFg2#selection-687.0-687.75
Frankfurt am Main Dass der Faschismus nicht immer mit dem Vorschlaghammer daherkommt, sollte hinlänglich bekannt sein. Ganz im Gegenteil bewegen sich faschistische Gruppen auf unterschiedlichen Ebenen, bedienen sich verschiedener Mittel und haben neben AnführerInnen und Fußtruppen immer auch einen Pool an IdeologInnen, die den verabscheuenswerten Taten und Diskursen eine Rechtfertigung geben. Aus strategischem Kalkül unterwandern sie Bildungsinstitutionen und verstecken ihre Botschaften in unverfänglichen Inhalten. Ihr wahres Gesicht zeigen sie allerdings bei internen Konferenzen, auf denen Klartext geredet und sich auf internationaler Ebene ausgetauscht und vernetzt wird.Valerio Benedetti
Ein Beispiel bildet ein Kongress der italienischen Studentenorganisation Blocco Studentesco im April 2017 in Rom unter dem Titel Europa – Comunita di popoli civilta”. Die Jugendorganisation der Bewegung Casa Pound lud NeofaschistInnen und NeonazistInnen aus sechs verschiedenen Ländern ein – unter ihnen die französische Action Francais und die Jugendorganisation der griechischen Partei Goldene Morgenröte. Gegen die Goldene Morgenröte läuft nach massiven Gewalttaten, Verwickelung in organisierte Kriminalität und Morden aktuell ein staatliches Verbotsverfahren. Prominent vertreten war auch der neurechte Verleger Philip Stein, und etwas versteckter der AfD Mitarbeiter John Hoewer. 1
 

In dieser Konstellation fiel jedoch noch jemand anderes auf: Valerio Benedetti, aufgeführt als Schriftsteller. Dieser lebt seit mehr als vier Jahren unbehelligt der Raiffeisenstr. 1, in 61231 Bad Nauheim (OT Nieder-Mörlen), promovierte an der J.W.-Goethe Universität und arbeitet an diversen Volkshochschulen in Hessen als Italienischlehrer. Benedetti ist ein zentraler ideologischer Kopf der Casa Pound. Seine Bücher dienen als ideologische Standardwerke, seine Publizistik, Übersetzungstätigkeiten und Vernetzungsarbeit dienen dem Wohl der Gruppe. Durch ihn werden neben dem simplen erwirtschaften von Geld, vor allem auch internationale Unterstützungsnetzwerke aufgebaut. Da es sich bei den italienischen FaschistInnen von Casa Pound im Kontext der europäischen Rechtsextremen um eine bedeutende Gruppe handelt, soll im Folgenden kurz auf diese eingegangen werden. Anschließend sollen Benedettis Aktivitäten genauer beleuchtet werden.


Blut an den Händen: Casa Pound
 
Bei Casa Pound Italia handelt es sich um eine 2003 gegründete rechtsradikale Bewegung, bei der es sich um traditionell ausgerichtete FaschistInnen handelt, die sich betont modern geben. Hierbei nutzen sie neben modernen Kommunikationsmedien ebenfalls aktuelle, ästhetische Ausdrucksweisen progressiver Jugend- und Protestkulturen. So nutzen sie Mode, Musik, Graffitis, Raves, Go-ins , Sit-ins und andere Aktionsformen der Linken für ihre Propaganda. Internationale Bekanntheit erlangen sie in der europäischen rechtsextremen Szene durch das Besetzen und anschließende Bespielen von leerstehenden Häusern, die sie als Nationale Zentren nutzen und dort Aktionen planen, wie auch Veranstaltungen durchführen. So organisieren die Mitglieder von Casa Pound beispielsweise sozial-karitativen Aktionen und inszenieren sich hierbei als sich „kümmernde Mitbürger_Innen“. 2013 trat Casa Pound das erste Mal als Partei zur Wahl in Italien an und verfügt mittlerweile über diverse VertreterInnen in sechs Kommunalparlamenten. Ebenfalls seit 2013 hat sie ihre Parteistützpunkte auf fast 100 verdoppelt und ihre Mitgliederzahl, die sich laut eigenen Angaben auf ca. 6.000 Personen beläuft ist auch stark gewachsen.
Die Mitglieder von Casa Pound verstehen sich als FaschistInnen und berufen sich auf die äußerst gewalttätige Bewegungszeit der sogenannten Schwarzhemden unter Benito Mussolini von 1919 bis 1922. Dementsprechend ist ihr Auftreten von gewalttätigen Übergriffen auf Andersdenkende und Auseinandersetzungen mit der Polizei geprägt. So waren AnhängerInnen von Casa Pound wiederholt an Ausschreitungen gegen die Unterbringung von Flüchtlingen beteiligt, wie z.B. 2014 und 2015 in Rom. Angesichts ihres Rassismus, den sie mit dem Begriff des Ethnopluralismus verschleiern, kam es auch immer wieder zu Übergriffen bis hin zu Morden an Flüchtlingen aus den Reihen ihrer AnhängerInnenschaft. So erschoss Gianluca Casseri im Dezember 2011 zwei senegalesische Verkäufer in Florenz. 2016 beleidigte ein Casa Pound Anhänger in der Kleinstadt Fermo die Frau des nigerianische Flüchtlings Emmanuel Namdi als Schimpansin und prügelte Namdi in dem darauf folgenden Streit zu Tode.
Neben den gewaltsamen Übergriffen und militanten Aktionen versucht sich die Gruppierung in der Weiterentwicklung extrem rechter Ideologie und der Wiederauffrischung faschistischer Denker. Benedetti fällt hierbei besonders auf. Durch Buchveröffentlichungen zu Giovanni Gentile, dem zentralen „Philosophen des Faschismus“ unter Mussolini, oder zum „Korporatismus des 3. Jahrtausends“. Beide Bücher gehören zum Kanon der Gruppe und der Erlös geht direkt in die Bewegung über. Benedetti ist neben diesen Veröffentlichungen an einer Vielzahl von Publikationen der extremen Rechten beteiligt, arbeitet eng mit dem ehemaligen Rechtsterroristen Gabriele Adinolfi zusammen, der lang wegen der Beteiligung an dem Bombenanschlag auf den Bahnhof von Bologna von 1980 mit 85 Toten verfolgt wurde, und ist auch in Deutschland in engem Kontakt zu Akteuren der rechtsextremen Szene.

Ein italienischer Neofaschist in Frankfurt
Valerio Benedetti legte im Jahr 2015 seine Doktorarbeit am Internationalen Graduiertenkolleg für Politische Kommunikation von der Antike bis ins 20. Jahrhundert ab, das an das Historischen Seminar des Fachbereich 08 für Philosophie und Geschichtswissenschaften der J.W.-Goethe-Universität in Frankfurt/M angebunden ist.1 Im Rahmen seiner Doktorarbeit nimmt Valerio Benedetti europaweit im universitären Kontext an Tagungen teil.2 Neben seiner universitären Karriere fing Benedetti an unter seinem richtigen Name ideologische Beiträge zu verfassen, Vorträge zu halten und für die rechte Internetzeitung der Casa Pound Il Primato Nazionale 3 Artikel zur politischen Lage in Deutschland schreiben. Dass Benedetti sein universitäres Wissen der Bewegung Casa Pound zur Verfügung stellt, sieht man deutlich durch die Überschneidung seiner Forschungsthemen mit den Diskussionsthemen der Casa Pound. Seine historische Untersuchung zur Genese des Begriffs der Civilitas in der Antike stellt einen Ausgangspunkt für aktuelle Debatten zu Zivilisation und Nation bei Casa Pound.
Darüber hinaus scheint er sich im Rhein-Main-Gebiet nicht nur mit dem Verfassen von Blogeinträgen zu beschäftigten, sondern hat hier bereits seit einiger Zeit damit begonnen, sich mit neurechten Strukturen in Deutschland zu vernetzen und auszutauschen. Ein Beispiel dafür ist das Interview mit Philipp Stein 4, das Valerio Benedetti geführt und ins italienische übersetzt hat 5 oder eine jüngst veröffentlichte Radiosendung, an der Valerio Benedetti und Philipp Stein teilnahmen 6 . Philipp Stein ist ein enger Vertrauter von Götz Kubitschek und hat gemeinsam mit ihm die Ein-Prozent-Bewegung ins Leben gerufen. Darüber hinaus ist Philipp Stein Verleger des Jung Europa Verlags 7 für den Valerio Benedetti unter seinem Psyeudonym „Ettore Ricci“ schon mehrfach veröffentlicht hat und wohl auch weiter veröffentlichen wird.
Unter diesem Pseudonym veröffentlicht er Texte und Einträge auf verschiedenen Internet-Blogs, die ihm während seiner Promotionsphase möglicherweise hätten schaden können. Im Juli 2013 taucht auf dem neurechten Internetblog „Blaue Narzisse“ ein deutscher Artikel auf, der sich mit Casa Pound beschäftigt 8 . Als Verfasser wird „Ettore Ricci“ genannt, als Übersetzer Johannes Schüller. Johannes Schüller ist ein als Freiberufler in Dresden aktiver Journalist und verfasst ebenfalls Artikel für die Blaue Narzisse oder die FPÖ Nahe Zeitung „Wochenblick“. 9 Bereits ein Jahr später, im Februar 2014 ist diese Übersetzungsarbeit überflüssig und es folgt beispielsweise auf dem Blog der Blauen Narzisse einen Text über den neurechten Denker Giorgio Locchi 10 . Darüber hinaus beginnt Valerio Benedetti und dem Name „Ettore Ricci“ mit deutschen Veröffentlichungen über Casa Pound, beispielsweise auf dem Blog des „Jungeuropa Verlag“.45 Für das Jahr 2017 kündigt der „Jungeuropa Verlag“ 11 12 eine Erstveröffentlichung von italienischen Texten über Casa Pound an, die unter anderem von „Ettore Ricci“ mit übersetzt worden sind. 13
 
Benedetti pflegt seine Kontakte in Deutschland. So hat er auch einen guten Draht zu Felix Menzel, der ebenso wie Kubitschek zu den Stichwortgebern der Neuen Rechten gehört und in der Vergangenheit beispielsweise in der „Projektwerkstatt“ 14 von Andreas Lichert (AfD) in Karben zu Gast war, die der Identitären Bewegung nah steht. 15 Menzel ist Gründer und Herausgeber der Blauen Narzisse und gilt als wichtige Figur in Bezug auf die sogenannte „Identitäre Bewegung“ (IB). Laut eines Artikels von Publikative.org der 2012 erschienen ist, übernimmt Felix Menzel sehr früh eine wichtige Rolle bei der IB in Deutschland. 16 Ob Benedetti Kontakt zu Andreas Lichert hat, ist nicht bekannt. Da sie beide in Bad Nauheim wohnen und gleichermaßen mit Veröffentlichungen auf (teilweise) den gleichen Plattformen in Erscheinung treten, ist aber davon auszugehen.
Ein weiterer Bekannter Neonazi in Valerio Benedettis Freundesliste bei Facebook ist Julian Monaco. Monaco stammt ursprünglich aus Niedersachsen und war zunächst bei den Autonomen Nationalisten Soltau aktiv, bevor er in den niedersächsischen Landesvorstand und später in den Bundesvorstand der Jungen Nationaldemokraten (JN) wechselte. Monaco ist Mitglied der Dresdner Burschenschaft Salamandria und war bereits 2012 bei Casa Pound in Italien zu Besuch.
Abschließend lässt sich sagen, dass Valerio Benedetti in Deutschland über gute Kontakte zu vielen wichtigen Akteuren der neuen Rechten und Rechtsextremen Szene verfügt, die allesamt Bekanntheit in dieser Szene genießen.
Neben seinem Treiben als Publizist der neuen Rechten scheint Valerio Benedetti ein sehr prekäres Dasein zu pflegen. So arbeitet er als Italienischlehrer an Volkshochschulen (VHS) im gesamten Rhein-Main-Gebiet, bei der VHS Frankfurt, VHS Wetzlar, VHS Wetterau und der VHS Main-Kinzig. Darüber hinaus hielt zwei Vorträge zur antiken Geschichte Roms und der aktuellen politischen Situation in Italien, die in Zusammenarbeit von der DGB nahen Landesarbeitsgemeinschaft „Arbeit und Leben Offenbach Stadt“ und der VHS Offenbach organisiert wurden. Es ist davon auszugehen das Valerio Benedetti sein Leben von diesen Beschäftigungen auf Honorarbasis finanziert.

Casa Pound und die Neue Rechte in Deutschland und Europa
 
Casa Pound gilt vielen jüngeren Gruppen der extremen Rechten in Europa als Vorbild, weil sie es geschafft hat viele unterschiedliche Bereiche der extremen Rechten zu bündeln, in einer Bewegungspartei zu vereinen und mit einem für Jugendliche interessanten Erscheinungsbild zu versehen. Dafür hat sich Casa Pound der Strategien der Neuen Rechten bedient, die vor allem den vor-politischen sozialen und kulturellen Raum anvisiert. 2003 entstand zeitgleich zu Casa Pound in Frankreich der „Bloc Identitiare“, der sich ebenfalls auf die Theorien der Neuen Rechten bezieht. Allein aber die Jugendorganisation „Génération Identitaire“ ist es seit 2012 gelungen mit ähnlichen Aktionen und Medienstrategien wie Casa Pound für Furore zu sorgen und sich auch auf andere europäische Länder zu verbreitern.
Ähnliches versucht die IB mit betont modernem Auftreten ebenfalls in Deutschland. Durch öffentlichkeitswirksame Aktionen und aufwendige Social Media Profile versuchen sie neurechte, völkische bis hin zu neofaschistische Ansichten salonfähig zu machen. Der recht kleine Kreis der bundesweit aktiven Mitglieder der IB hat dabei eine enge Anbindung an deutschnationale Burschenschaften und zum Teil deutliche personelle Überschneidungen mit der Jungen Alternative (JA), dem Jugendverband der Alternative für Deutschland (AfD).
Beim letzten Landesparteitag der JA Hessen im Haus der rechten Burschenschaft Germania in Marburg, kam es beispielsweise zu Angriffen vermummter Burschenschaftler – darunter Maximilian Kolb, Mitglied des Landesvorstandes der JA Hessen – auf anwesende Fotograf_innen. 17 Unter den vermummten Angreifern befand sich auch Philip Stein, am Landesparteitag der JA nahm darüberhinaus Andreas Lichert teil. Diese enge Verzahnung von Straßengewalt und parlamentarische Arbeit erinnert stark an das Vorgehen von Casa Pound in Italien. Mit Valerio Bendetti haben sie einen Verbündeten mit den richtigen Kontakten gefunden. Wohin der Zukünftige weg führt bleibt jedoch offen.

Wenn ihr Informationen habt die ihr für wichtig haltet, wendet euch damit gerne an euch bekannte und/oder organisierte Antifastrukturen. Bei Infos aus dem Rhein-Main Gebiet freuen wir uns über eine E-Mail an: antifa_recherche_ffm@riseup.net

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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