NPD Wetzlar – Ein Griff ins Klo
Was als großer Wurf angekündigt war wurde für die NPD Wetzlar schlussendlich zum Griff ins Klo. Statt mit erwarteten mehreren hundert Kameraden in der Stadthalle den angekündigten Rechtsrockbands zu lauschen, lieferte sich die lokale Naziclique um Thassilo Hantusch, Stefan Jagsch und Daniel Lachmann bis in den späten Nachmittag eine erbitterte Auseinandersetzung mit der Stadt Wetzlar.
Nach dem es lange Zeit so aussah, als ob die Stadt Wetzlar die Gerichtsurteile zur Überlassung der Stadthalle an die NPD zähneknirschend akzeptiert hätte und der Rechtsweg eigentlich ausgeschöpft war, verbot die Stadt am 23.03.2018 – am Vorabend der Veranstaltung – die Nutzung der Halle erneut. Als Grund führte sie nicht erfüllte Auflagen an, insbesondere eine fehlende Versicherungspolice. Der Wetzlarer Bürgermeister Manfred Wagner erklärte im Bezug auf die geforderte Versicherung, dass eben diese eine unabdingbare Voraussetzung für die Unterzeichnung eines Mietvertrages wäre und als solche auch bei jeder „Abifeier“ erforderlich sei.
Nach dem Bekanntwerden des erneuten Verbotes rief der Nazianwalt Peter Richter – der unter anderem als stellvertretender Vorsitzender der Saarländer NPD agiert und für die Partei in der Saarbrücker Regionalversammlung sitzt – das Bundesverfassungsgericht an. Dieses bestätigte, das bereits zuvor getroffene Urteil, nach dem die Stadt der NPD die Halle „im üblichen Rahmen“ überlassen muss. Die Stadt ließ im Laufe des Samstag Nachmittags einige Nazis sogar in die Stadthalle, um dann jedoch am frühen Abend zu der endgültigen Position zu gelangen, das mit der fehlenden Versicherungspolice der übliche Rahmen nicht gewährleistet ist und das Konzert somit nicht stattfinden wird. Diese erbitterte Auseinandersetzung dürfte so bisher einmalig gewesen sein.
Die sichtlich überraschten und mit der Situation überforderten hessischen Neonazis wollten bis zuletzt nicht an ihre Niederlage glauben und verbreiteten diverse Videos und Statements mit Durchhalteparolen. Obwohl in erster Linie die eigene Unfähigkeit die gestellten Anforderungen zu erfüllen, für die Absage ihrer Veranstaltung entscheidend war, versuchte die hessische NPD-Riege ihr Scheitern mit „Behördenwillkür“ zu erklären. Auch wenn die konsequente Hartnäckigkeit der Stadt entscheidend war, zeigt der Verlauf des Tages doch vor allem, dass der Wunsch, in der Oberliga mitzuspielen alleine nicht ausreicht, um den großen Wurf zu landen.
Neben der juristischen Auseinandersetzung zeigte sich darüber hinaus eine sehr erfolgreiche zivilgesellschaftliche und antifaschistische Mobilisierung. Neben den vielen Menschen aus Wetzlar selbst, beteiligten sich antifaschistische Gruppen und Einzelpersonen aus weiteren hessischen Städten an dem Protest. Die mit gut 2000 Menschen besuchte Demonstration durch die Altstadt von Wetzlar zur Stadthalle war 4 mal größer als zuvor von der Stadt und der Polizei angenommen.
Die Nazimobilisierung blieb, vermutlich auch aufgrund der unklaren Rechtslage, deutlich hinter den Erwartungen zurück. Trotzdem waren gut 200 Nazis im Stadtgebiet unterwegs, die sich unter anderem hinter dem „Michel Hotel Wetzlar“ sammelten und auf die Entscheidung der Gerichte warteten.
Die anwesenden potentiellen KonzertbesucherInnen stellten aber nicht das erwartete Publikum da. Weder lässt dieser Event irgendwelche Rückschlüsse auf die Regionale Szene zu, noch zeigte sich an diesem Tag ein Bild was für ein Potential so eine Veranstaltung eigentlich gehabt hätte. Über die Gründe ließe sich hierbei nur Spekulieren. Es kann festgehalten werden, dass ein großteil der aktiven Neonaziszene Hessen, sowie der subkulturelle Teil, der sich sonst zu solchen Events auf den Weg macht, nicht erschienen ist. Ebenso war es bei den prognostizierten Neonazis aus den angrenzenden Bundesländern oder dem Ausland. Nur vereinzelt waren offensichtlich gewaltbereite Gruppen vor Ort, auch der Teil aus der dezidiert militanten neonazistischen Szene war entgegen der Erwartungen überschaubar. Letztendlich hätten mehr Neonazis auch keine Platz mehr in der Ausweichlocation gefunden. Denn nach dem am frühen Abend bekannt wurde, dass die Stadthalle in Wetzlar definitiv nicht zur Verfügung stehen wird, wich die NPD zur Durchführung des Konzertes auf eine bereits bekannte Naziimmobilie in Leun-Stockhausen aus. Im „Bistro Hollywood“, welches auch unter dem Namen „Teutonicus“ betrieben wird, fanden in den vergangenen Jahren immer wieder Neonaziveranstaltungen und Konzerte statt. Das Bistro wird vom langjährigen NPD-Funktionär Thomas Gorr betrieben und wird seit 2013 immer wieder von der NPD und JN genutzt.
Gegen frühen Abend wollte dann eine kleine Gruppe von ca. 10 Leuten doch noch ihrem Ärger über das Verhalten der Stadt Luft machen. In Gießen stellte sich das kleine Grüppchen aus JN-Aktivisten und Personen der „Identitären Aktion“ vor das Polizeipräsidium. Sie begründeten ihr dortiges Auftreten damit, dass der Einsatz in Wetzlar von der Gießener Polizei geleitet wurde und die ihnen nicht bei der Durchsetzung ihres Rechtes behilflich gewesen sei. Die Kundgebung am Stadtrand wurde von Maximilian Reich bei der schnell eintreffenden Polizei angemeldet. Unter den RednerInnen war, der auch für Wetzlar angekündigte, Dominik Stürmer aus Baden-Württemberg und die unvermeidliche Melanie Dittmer.
Die großspurige Ankündigung der „Szeneveranstaltung des Jahres“ folgte nun die Ernüchterung, ein kleines Konzert mit 200 Leute auf dem Land. Der versuch die Stadt Wetzlar vorzuführen, in dem erst eine Wahlkampfveranstaltung angemeldet und durchgeklagt wird, um dann ein Rechtsrock-Konzert zu präsentieren, hatte sich diese nicht bieten lassen. Das ganze wird wohl in mehrere Gerichtsverfahren ausgetragen werden.
Die wenigen Erkenntnisse die der Tag brachte, sind schnell zusammengefasst. Die NPD hat es nicht verstanden junge Leute zu gewinnen oder neue Leute anzusprechen. Es handelte sich um eine reine Szene- und keine Wahlkampfveranstaltung. Möglicherweise war dies einkalkuliert. Im Vorfeld wurde vermutet, dass, wenn sie die Stadthalle nicht bekommen würden, mit einem Aufmarsch zu rechnen sei. Doch mit dem Haufen, der sich da in Wetzlar versammelt hat, wäre vermutlich selbst das zu einer peinlichen Veranstaltung geworden. Die NPD in Hessen ist eben nicht die Sammlungsbewegung, die sie gerne sein würde.
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